Epilepsie beim Hund: Ein komplexes Krankheitsbild

Die Epilepsie gehört zu den Hundekrankheiten, die viele verschiedene Ursachen haben können. Ein epileptiformer Anfall ist für den Hund mit einem hohen Verletzungsrisiko verbunden und kann in schweren Fällen zu bleibenden Hirnschäden führen. Um den Auslöser für die Epilepsie beim Hund zu identifizieren, ist eine umfangreiche Diagnostik unerlässlich. Ihr Tierarzt oder Ihre Tierärztin sollte bei einem Verdacht auf Epilepsie der/die erste Ansprechpartner:in sein. Wir geben Ihnen einen Überblick über die verschiedenen Arten der Epilepsie, die Symptome und die verschiedenen Therapieformen (zum Beispiel durch Medikamente). 

Definition eines epileptischen Anfalls

Der Begriff Epilepsie beschreibt ein vom Gehirn ausgehendes Anfallsleiden, das nicht durch eine aktuell bestehende Krankheit oder Verletzung erklärt werden kann (wie es zum Beispiel nach einer Kopfverletzung der Fall wäre). Dabei kommt es zu spontanen Krampfanfällen. Diese können wenige Sekunden dauern, aber auch über mehrere Minuten gehen.

Eine besonders schwere Form eines Krampfanfalls ist der sogenannte Status epilepticus. Dieser tritt ein, wenn der Anfall länger als 5 Minuten dauert. Er kann bis zu 30 Minuten andauern und muss dringend behandelt werden.

Zurückzuführen sind diese Anfälle auf eine plötzliche, zeitgleich erfolgende Entladung einer großen Anzahl von Nervenzellen im Gehirn. Dadurch erfolgt eine massive Überstimulation des Nervensystems, die zu unkontrollierten Bewegungen und mitunter Bewusstlosigkeit führt.

Ursachen – Was löst Epilepsie bei Hunden aus? 

Bis zu zwei Prozent aller Hunde ist von Epilepsie betroffen. Die Krankheit kann in jedem Alter auftreten und gehört zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Die möglichen Auslöser für Krampfanfälle sind vielfältig. Demzufolge kann die Epilepsie beim Hund nach Arten der Ursache unterteilt werden. Es wird allgemein zwischen der primären und der sekundären Epilepsie unterschieden.

Idiopathische Epilepsie

Diese Krankheitsform wird auch primäre Epilepsie oder genetische Epilepsie genannt. Sie zählt zu den Erbkrankheiten des Hundes und kommt bei bestimmten Rassen, zum Beispiel Rhodesian Ridgebacks, gehäuft vor.

Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Krankheit autosomal-rezessiv vererbt wird. Das bedeutet, dass beide Elternteile Träger der Genmutation sein müssen, damit ihre Nachkommen am Gendefekt leiden. Auch bei Deutschen Schäferhunden, dem Berner Sennenhund und Golden Retrievern geht man davon aus, dass eine Erkrankung an Epilepsie erblich bedingt sein kann.

Anhand bildgebender Diagnostik ist eine idiopathische Epilepsie nicht nachvollziehbar, da im Gehirn keine Auffälligkeiten zu erkennen sind. Die Krampfanfälle können bereits bei jungen Hunden auftreten. Zwischen zwei Anfällen sind die Tiere komplett symptomfrei. Treten die Anfälle vor dem sechsten Lebensjahr auf, ist eine genetische Epilepsie am wahrscheinlichsten.

Symptomatische Epilepsie

Die sekundäre oder strukturelle Epilepsie tritt infolge einer Krankheit oder Verletzung auf. Mögliche Ursachen sind beispielsweise eine Hirnhaut- oder Hirnentzündung, ein Schädeltrauma, eine Hirnblutung oder ein Hirntumor.

Die krankhaften Veränderungen des Hirngewebes sind mit Hilfe von bildgebender Diagnostik deutlich erkennbar. Darum ist die Diagnose einer symptomatischen Epilepsie häufig einfacher. Je nach konkreter Ursache zeigen die betroffenen Tiere auch zwischen zwei Krampfanfällen neurologische Symptome.

Metabolische Epilepsie

Streng genommen ist auch die metabolische oder organische Epilepsie eine Form der sekundären Epilepsie, da sie infolge einer anderen Erkrankung auftritt. Allerdings befindet sich der ursprüngliche Auslöser hier nicht im Gehirn, sondern im Stoffwechsel. Es können Hunde aller Altersklassen betroffen sein. Mögliche Ursachen sind zum Beispiel:

  • Leberfunktionsstörung: Es kommt zu einem erhöhten Ammoniakspiegel im Blut, der eine toxische Wirkung auf das Gehirn hat.
  • Nierenfunktionsstörung: Die Ausscheidung von Kreatinin und Harnstoff, zwei Abfallstoffen des Körpers, ist beeinträchtigt. Ihre erhöhte Konzentration im Blut hat eine toxische Wirkung auf das Gehirn.
  • Hypoglykämie (Unterzuckerung): Lange Fresspausen beim Welpen oder übermäßige Insulinverabreichung an einen Diabetes-Betroffenen führen zu einer Unterversorgung des Gehirns mit Energie.
  • Hyponatriämie: Ein erniedrigter Blutnatriumspiegel kann zum Beispiel durch längerfristiges Erbrechen, massiven Durchfall, Verbrennungen, Herz- oder Nierenerkrankungen zustande kommen.

Im Fall einer metabolischen Epilepsie ist eine Behandlung der Ursache die Lösung. Klassische antiepileptische Medikamente haben in diesem Fall häufig keine Wirkung.

Schon gewusst?
Die Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff kann zu Ohnmachtsanfällen führen, die jedoch nichts mit einer Epilepsie beim Hund zu tun haben.

Symptome bei Hunden je nach Anfallsform

Je nach den betroffenen Gehirnregionen werden zwei verschiedene Arten von Anfall unterschieden. Ein epileptischer Anfall kann generalisiert (den ganzen Körper betreffend) oder fokal (herdförmig) auftreten. Im Falle eines generalisierten Anfalls setzen beide Großhirnhälften ein Signalfeuerwerk in Gang. Ein fokaler Anfall entsteht, wenn nur einzelne Bereiche des Gehirns betroffen sind.

Generalisierter Anfall

Der typische epileptische Anfall geht mit krampfenden Bewegungen des ganzen Körpers einher. Dieser sogenannte tonische Anfall kommt bei Hunden mit Abstand am häufigsten vor (in 80 % aller Fälle). Es gibt nicht immer Anzeichen für einen Anfall. In den meisten Fällen gibt es bestimmte Vorboten, die das sogenannte Stadium 1 kennzeichnen. Dazu gehören:

  • Wesensveränderung, zum Beispiel Unruhe, Rückzug, auffällige Anhänglichkeit
  • Schlecken, Speicheln
  • Vermehrter Harndrang

Das Stadium 1 geht nach einigen Minuten bis mehreren Stunden abrupt in Stadium 2 über:

  • Bewusstlosigkeit, Zusammenbrechen
  • Versteifung der Skelettmuskulatur
  • Krämpfe und Zuckungen am ganzen Körper
  • Ruderbewegungen mit den Beinen
  • Speichelfluss
  • Lautäußerungen wie Winseln

Der eigentliche Krampfanfall dauert normalerweise maximal zwei Minuten. Danach folgt das Stadium 3, welches wenige Minuten, aber auch bis zu drei Tage anhalten kann. Typisch sind währenddessen:

  • Benommenheit
  • Desorientierung
  • Erschöpfung
  • Gleichgewichtsprobleme
  • Sehstörungen
  • Heißhunger, Durst

Neben einer generellen Erschöpfung leiden die Tiere auch weiterhin unter neurologischen Ausfällen. In dieser Phase neigen Hunde vermehrt dazu, Fremdkörper aufzunehmen, darum muss der/die Besitzer:in in dieser Zeit besonders aufmerksam sein.

Wenn Ihr Tier mehrere Anfälle hinter sich hat, werden Sie in der Lage sein, die Anzeichen für einen Krampfanfall zu erkennen. Wenn Sie sich etwas Zeit nehmen, werden Ihnen auch die subtileren Symptome auffallen. 

In manchen Fällen sind die Hunde nach einem Anfall gereizt. Dies ist zwar nur selten der Fall, sollte aber in der Anfangsphase der Krankheit berücksichtigt werden. Insbesondere Familien mit Kindern oder Besitzer:innen von großen Hunden sollten abklären, ob der Hund nach einem Anfall ein größeres Aggressionspotenzial hat.

Achtung:
Hält die Bewusstlosigkeit länger als 10 Minuten an, besteht Lebensgefahr! Der sogenannte Status epilepticus ist ein dringender Notfall und erfordert eine sofortige Intensivtherapie durch einen Tierarzt oder eine Tierärztin.

Fokaler Anfall

Eine fokale Epilepsie kann relativ unauffällig sein und vom Tierbesitzer unbemerkt bleiben: Die unwillkürlichen Bewegungen beschränken sich dabei auf bestimmte Körperareale und der Hund bleibt bei Bewusstsein. Mögliche Anzeichen eines solchen herdförmigen Anfalls sind:

  • Muskelzuckungen, zum Beispiel an den Ohren, Lefzen, der Haut oder einer Pfote
  • Schlecken, ungewöhnliche Zungenbewegungen
  • Leerkauen, Schnappen in die Luft
  • Zwanghafte Kopfbewegungen
  • Verziehen des Gesichts
  • Unbegründetes Bellen

Auch, wenn der Hund (bisher) nie einen Krampfanfall hatte, sollte bei derartigen Symptomen immer auch an eine Epilepsie gedacht werden.

Diagnostik der Epilepsie beim Hund

Deutet der Vorbericht durch den/die Besitzer:in auf einen epileptischen Anfall hin oder hat der Tierarzt oder die Tierärztin ihn selbst beobachtet (vor Ort oder auf einer Videoaufnahme), muss die konkrete Ursache ermittelt werden. Zunächst werden andere Ursachen für einen Krampfanfall ausgeschlossen.

Dazu eignen sich zunächst eine umfangreiche Blutuntersuchung, bei der unter anderem die Konzentration verschiedener Elektrolyte, Enzyme, Stoffwechsel- und Abfallprodukte im Blut überprüft wird. Sind Veränderungen feststellbar, werden im nächsten Schritt die dafür infrage kommenden Organe untersucht, zum Beispiel durch einen Ultraschall oder eine Harnuntersuchung.

Lassen sich die Anfälle anhand des Blutergebnisses nicht erklären, ist der nächste Schritt meist eine Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT), um mögliche strukturelle Veränderungen im Gehirn zu erkennen. Eine solche Untersuchung ermöglicht es auch zu erkennen, ob es sich um eine genetische oder eine strukturelle Epilepsie handelt. Eine eventuelle Entzündung, die ebenfalls als Auslöser infrage kommt, kann durch eine Gehirnwasseruntersuchung festgestellt werden.

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Therapie und Medikamente bei Krampfanfällen

Die Epilepsie des Hundes muss grundsätzlich dann therapiert werden, wenn sie häufiger als alle drei Monate auftritt oder die Anfälle einen besonderen Schweregrad aufweisen. Letzterer ist bei einem Status epilepticus sowie bei Serienanfällen gegeben. Je nach Form der Epilepsie werden unterschiedliche Therapien angewendet. 

Einige Ursachen, beispielsweise ein Tumor oder ein sogenannter Lebershunt, erfordern einen chirurgischen Eingriff. Eine strukturelle Epilepsie, die durch einen Tumor ausgelöst wurde, kann außerdem durch eine Chemotherapie oder Bestrahlung behandelt werden.

Eine genetische Epilepsie ist grundsätzlich medikamentös behandelbar, die optimale Dosierung der Antiepileptika kann allerdings einige Wochen bis Monate in Anspruch nehmen. Sie kann nicht geheilt werden, aber die Lebensqualität Ihres Hundes kann entschieden verbessert werden.

Im Falle einer organischen Erkrankung oder Stoffwechselstörung ist eine Behandlung der Grundursache nötig. In diesem Zusammenhang kann es auch erforderlich sein, die Ernährung des Hundes anzupassen.

Lebenserwartung – Wie lange leben erkrankte Hunde? 

Es gibt einige Tiere, die nicht auf eine Therapie ansprechen. Häufig davon betroffen sind Border Collies und Australian Sheperds. Insgesamt sind circa 25 % aller von Epilepsie betroffenen Tiere nicht therapierbar. 

zu lesen : 

In den meisten Fällen ist eine Epilepsie bei Hunden aber gut behandelbar. Sie haben die gleiche Lebensqualität wie gesunde Artgenossen und können ein normales Alter erreichen. Voraussetzung hierfür ist die richtige Einstellung der Antiepileptika. Dies kann etwas Zeit in Anspruch nehmen, lohnt sich aber.